profiling – Die hohe Kunst der Aufdeckung

Auf der Suche nach dem „Täter“ in der Innenwelt

Kennen Sie Inspector Columbo, diesen sympathischen, aber offenbar völlig vertrottelten Fernseh-Detektiv, der eine Straßenlaterne scheinbar nicht einmal dann identifizieren kann, wenn er direkt in eine hineinläuft? Wenn Sie ihn kennen, dann wissen Sie auch, dass die Zuschauer sich im Verlauf der Geschichte noch wundern werden. Mit nervtötender Akribie trägt er kleinste Informationsteile zusammen, stellt Querverbindungen her und steht – um es mit einem synergetischen Begriff zu sagen – in ständiger Rückkoppelung mit seinem Notizblock, in dem recht seltsame Bemerkungen aufnotiert sind: „Der Lippenstift hat einen Stich ins Blaue“ oder „Der rechte Rand des Bilderrahmens ist staubfrei“. So rekonstruiert er Hintergrund und Verlauf des Verbrechens, um dann zum guten Schluß nonchalant zu verkünden: „Sir, Sie haben sicher Verständnis dafür, dass ich Sie wegen Mordes verhaften muß!“ Nun – Inspector Columbo ist eben ein echter profiler – zumindest auf der Leinwand.

In der Kriminolgie hat diese Methode auch ihren Ursprung. Bernd Joschko hat nun einen genialen Bogen geschlagen, indem er das Wissen um Methode und Vorgehensweise des profiling von der äußeren Realität auf die Innenwelt übertrug. In anderen Worten: der Synergetik-Profiler ist ein Detektiv im Unbewussten, er deckt die Querverbindungen auf, die zwischen verschiedenen Erlebnisinhalten bestehen, er enthüllt die Informationsstruktur der neuronalen Matrix und macht auf diese Art und Weise den „inneren Täter“ dingfest. Doch rollen wir die Sache vom Anfang auf und fragen wir uns, ob Columbo in der Innenwelt ebenso erfolgreich sein könnte wie auf dem Bildschirm.

Der kriminologische Hintergrund

Im Jahr 1978 wurde der Leiter der Abteilung Verhaltensforschung des FBI, Robert Ressler, in einem Mordfall um Hilfe gebeten. Er hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits eingehend mit Serienverbrechen beschäftigt, bei denen die Täter meist auch bizarre Rituale vollzogen. Seine bisherigen Recherchen bei Kolleg/innen aus Verhaltensforschung und Psychiatrie waren ergebnislos verlaufen. Die Frage, welches Motiv und welches Täterprofil hinter diesen Taten stand, vermochte ihm niemand zu beantworten. Auch in besagtem Fall gab es weder ein Motiv noch eine Verbindung zwischen Täter und Opfer.
R. Resslers Arbeitshypothese lautete: „In der Tat steckt der Täter“. Er begab sich nun auf die Suche nach psychologischen Hinweisen am Tatort, denn mit diesen hinterlässt der Täter seine „Visitenkarte“, aus dem sich ein Profil erschliessen lässt. Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen besteht darin, sich zunächst von einer jeden vorgefassten Meinung freizumachen und damit jegliche Spekulation, die der Verstand diktiert, beiseite zu schieben. Der Profiler muss sich vielmehr von den realen Bildern lösen können und einen rein professionellen Blick entwickeln. Seine Analyse kann nur dann gelingen, wenn er sich distanziert und das Geschehen verobjektiviert, d.h. wenn er sich in der Vorgehensweise wertneutral und frei von Gefühlen hält. Und es muss gelingen, den Körper des Opfers so zu sehen, wie ihn der Täter gesehen hat und damit auch zu erschließen, wie der Täter denkt und handelt.

In besagtem Beispielfall hatte der Täter das Blut des Opfers aus Plastikbechern getrunken. Dieser Ansatzpunkt führte zu dem Schluss, dass es sich um eine Person handeln musste, die an paranoider Schizophrenie erkrankt war. Diese ist in einem Alter zwischen 25 und 30 Jahren am stärksten ausgeprägt. Es war daraufhin davon auszugehen, dass das äußere Erscheinungsbild des Täters äußerst ungepflegt war und er – da nicht arbeitsfähig – von staatlicher Unterstützung lebte. Weiterhin war davon auszugehen, dass er sich bereits in psychiatrischer Behandlung befunden hatte. Zudem hatte er sich in einem weißen Wohnviertel völlig unbemerkt bewegen können, was auf seine Hautfarbe schließen ließ. Er würde des weiteren Gegenstände des Opfers an sich genommen und in seiner Wohnung aufbewahrt haben.

Nach der Festnahme, die allerdings aufgrund anderer Faktoren zustande kam, stellte sich das Profil als erstaunlich präzise heraus: Alter, Erscheinungsbild und Persönlichkeitsmerkmale des Mörders waren punktgenau erfasst und profiling als Methode damit etabliert worden.

Im Rahmen des „criminal personality project“ interviewte R. Ressler den Täter und in der Folge über 100 Serienverbrecher in den USA. Er entwickelte 263 Standard-Fragen bei Mord und Vergewaltigung, mit denen Muster und Tatzusammenhänge – nunmehr wissenschaftlich fundiert – aufgefunden werden konnten. Es zeigte sich, dass die Tat das Zwangsergebnis aller Faktoren war, die sich zuvor „aufgesammelt“ hatten – und die dann präzise Rückschlüsse zuließen. Durch den Kinohit „Das Schweigen der Lämmer“ wurde profiling populär und. in Deutschland seit Beginn der 80er Jahre im Rahmen der sog. Rasterfahndung zur Anwendung gebracht.

Die Tatsache, dass diese Methode allerdings missbräuchlich verwendet wurde, veranlasste B. Joschko dazu, mit dem BKA zu brechen und dessen rechtswidrige Praxis öffentlich zu machen. Mit der Anwendung des profiling auf die Innenwelt hat er nun ein positives Gegenbeispiel geschaffen, denn hier kann die Methode als ein „diagnostisches Instrumentarium“ dienen, um die Hintergründe und Zusammenhänge von Konflikten und Krankheiten auf tiefster Ebene aufzudecken. Wir suchen ausgehend von unserem inneren Tatort (dem Konflikt oder der Erkrankung) nach dem „Täter“ in unserer Innenwelt.

Wenn wir in diesem Zusammenhang von einem „Täter“ sprechen, ist allerdings auf keinen Fall die Rede von einer konkreten Person oder dem Energiebild einer Person. Mit dem „Täter in der Innenwelt“ umschreiben wir vielmehr die Informationsstruktur, d.h. die Verknüpfung von Erlebnissen und Ereignissen, die einem körperlichen, psychischen oder mentalen Konflikt zugrunde liegen. Hieran wird schon deutlich, dass ein solcher Konflikt sich niemals ein auf ein Einzelgeschehen reduzieren lässt, sondern sich aus mehreren Faktoren, die miteinander eine Verbindung eingegangen sind, zusammensetzt. Wir haben es also nicht mit „dem Konflikt“, sondern vielmehr einem ganzen Konfliktmuster zu tun, d.h. der „Täter“ repräsentiert nichts anderes als die fraktale (selbstähnliche) Energiestruktur, die sich über unsere tagtägliche Wahrnehmung herausgebildet hat und nun im Sinne einer Disharmonie auf unseres Leben einwirkt.

Im folgenden wollen wir versuchen, diese zunächst sehr abstrakt klingende Definition anhand eines konkreten Beispiels zu erläutern und damit auch ansatzweise den Unterschied zur synergetischen Prozessarbeit aufzeigen.

Ein erstes wesentliches Merkmal liegt darin, dass ein profiling immer mit einer klaren und präzise umrissenen Fragestellung beginnt, d.h. es muss ein eindeutig definiertes Ziel vorliegen. Während die synergetische Prozessarbeit ihren Focus auf die Veränderung, die Zerstörung der alten und den nachfolgenden Aufbau einer neuen Struktur legt, geht es im profiling um die reine Aufdeckungsarbeit. Als Resultat zeigt sich eine sachliche Analyse, d.h. eine Tatsachenbeschreibung derjenigen Faktoren, die in der Innenwelt eine Verbindung eingegangen sind und für die Wirkung des in der Frage herausgearbeiteten Komplexes zuständig sind.

Ähnlich wie in der Kriminologie ist davon auszugehen, dass an einem gravierenden Konflikt in der Regel mindestens sechs, möglicherweise aber auch acht bis zehn Faktoren beteiligt sind. Aufgabe des profiling ist es nun, diese speziellen Faktoren ausfindig zu machen und ein „Bild“ davon zu malen, wie sie miteinander verknüpft sind, d.h. wie sie kooperieren, um eine Gesamtstruktur zu bilden. In anderen Worten, es ist das Ziel, die Entstehungsgeschichte des „inneren Täters“ nachzuzeichnen, die Erlebnisse und Ereignisse aufzufinden, die dazu führten, dass die Wahrnehmung sich zu dieser speziellen Struktur verdichten und vereinigen konnte.

Unterstellen wir, dass eine Klientin die Frage hat, warum sie in ihrem Leben immer wieder mit Beziehungskonflikten zu tun und sich bei ihr eine Schwerhörigkeit eingestellt hat. Es ist die Aufgabe des Vorgespräches, dass Klientin und profilerin diese Frage gemeinsam klar herauskristallisieren. Selbstverständlich hat sich die Klientin zu diesem Komplex bereits viele Gedanken gemacht und wird entsprechende Erklärungsversuche vorbringen. Diese müssen jedoch nicht notwendigerweise die wirkenden Mechanismen treffen, sondern die Realität der auftauchenden Energiebilder enthält die eigentliche Aussagekraft. Im profiling gilt: nur die Fakten zählen, d.h. die Wirklichkeit der Innenwelt soll abgebildet werden und anhand dieser Wirklichkeit können wir eine Aussage über die Qualität dieses Zustandes machen. Dennoch ist das Vorgespräch eine wichtige Einstimmung auf das Thema.Genau wie in der Prozessarbeit wird sich die Klientin jetzt in einen Zustand der Entspannung begeben, um den Zugang zur Welt der inneren Bilder zu erleichtern und ermöglichen. Doch dann zeigt sich bereits ein erster, sehr gravierender Unterschied: ab jetzt ist es notwendig, dass die Klientin eine distanzierte Haltung einnimmt, sie wird aufgefordert, in der Position des bewussten Ich zu bleiben und damit als reine Beobachterin zu fungieren. Zentrales Anliegen ist es jetzt, die inneren Anteile, die inneren Bilder agieren zu lassen und alles, was nun geschieht, möglichst bewusst wahrzunehmen. Während wir in der synergetischen Prozessarbeit mit den inneren Anteilen identifiziert sind und damit einen Erlebens- und Emotionsprozess durchlaufen, hat profiling den Charakter einer reinen Wahrnehmungs.- und Erkenntnisarbeit.

In unserem Beispiel taucht als erstes ein Abgrund auf, vor dem die Klientin steht. Dieses Bild löst bei ihr ein Gefühl der Starre und Hilflosigkeit aus. Es besteht jetzt die Möglichkeit, diejenige Situation aufzurufen, in der diese Gefühle erstmalig in dieser Prägnanz aufgetreten sind. Daraufhin zeigt sich das Bild des Kinderheimes, in dem die Klientin als 3-jährige vorübergehend untergebracht war. Ihr inneres Kind sitzt getrennt von den anderen an einem Nebentisch, es ist starr und hilflos und fühlt, dass es nicht dazugehört.
Hier finden wir nun die Situation auf, in der sich das Thema des „Nicht Hörens“ im Sinne von „Nicht Dazu-Ge-Hören“ manifestiert hat. In der synergetischen Prozessarbeit könnte der nächste Schritt darin bestehen, in die Identifikation zu gehen und Gefühl, Körpersensation und andere Impulse auszuagieren und auf diese Art und Weise einen Selbtsorganisationsprozeß auszulösen.

Im profiling ist eine solche Vorgehensweise jedoch nicht anzustreben. Sollte die Gefühlsqualität der Klientin jetzt an Intensität zunehmen, wird sie aufgefordert, einige Schritte zurückzutreten und das ganze Bild aus einer distanzierten Position heraus wahrzunehmen. Aufgabe der profilerin ist es, sie auf die Verbindung mit ihrer Fragestellung und die Selbstähnlichkeit mit ihrem Konflikt aufmerksam zu machen. Es hat sich ein offenkundig zentrales, stark prägendes Geschehen gezeigt, das nun bewusst werden kann und es wird jetzt die Aufgabe sein, alle weiteren damit in Verbindung stehenden Faktoren ausfindig zu machen.

Der nächste Schritt besteht deshalb auch darin, zum Abgrund zurückzukehren und ihn auf diese Situation anzusprechen, um herauszufinden, ob und wie er reagiert. Es zeigt sich, dass der Abgrund die Klientin auslacht, woraufhin diese sich „gemein behandelt“ fühlt. Erneut soll sie dieses Gefühl bewusst wahrnehmen und mit der Aussage: „Ich will nicht hören, dass ich ausgelacht werde“ stellt sie einen selbstähnlichen Rückbezug zu ihrer Frage her.

Ein nächster Schritt kann nun darin bestehen, die Auswirkung auf ihre aktuellen Lebensumstände zu prüfen und darüber weitere Informationsteile zu gewinnen. Zu diesem Zweck wird eine aktuell für sie wichtige Beziehung aufgerufen und die Klientin wird dem Lebensgefährten, der nun auftaucht, ihr Erlebnis mit dem Abgrund schildern und abwarten, ob der Partner reagiert. Dieser antwortet ihr, dass sie selbst diejenige sei, die sich auslacht und die an sich zweifelt. Dabei habe sie auch Zweifel daran, ob sie die Beziehung zu ihm wirklich will – deshalb habe er sich von ihr abgewendet.

Hier eröffnet sich ein weiterer Aspekt: die Klientin kann wahrnehmen, dass sie sich selbst entwertet. Auf die Frage, ob sie diesen Selbstzweifel kennt, antwortet sie: „Es geht um alles, was ich über mich denke!“ Um dieser Spur weiter nachzugehen, wird nun der Abgrund ein weiteres Mal befragt. Er ist bereit zu helfen und fordert die Klientin auf, in ihn hinabzusteigen. Sie folgt seiner Aufforderung und seilt sich ab. Auf dem Grund angekommen, beginnt sie zu schwanken und fühlt sich „wie bestellt und nicht abgeholt“. Hier wird die Rückbezüglichkeit zu der Situation im Kinderheim deutlich und genau in diesem Moment taucht die Figur der Mutter in der Innenwelt auf, die der Klientin mitteilt, dass sie einen Fehler gemacht hat und dass es ihr leid tut. Doch letztere kann erkennen, dass sie diese Entschuldigung nicht annehmen will: „Ich will das nicht hören!“ Es wird darüber hinaus deutlich, dass sie auf ihr inneres Kind zornig ist und ihm den Vorwurf macht, sich nicht weiterentwickelt zu haben, sondern „einfach am Tisch sitzengeblieben zu sein“.
Für einen jeden Konfliktzusammenhang ist es von größter Wichtigkeit, die Verfassung von innerem Kind und der Instanzen von innerer Mutter und innerem Vater zu prüfen, denn diese spiegeln die Grundlebensthemen wider und sind prinzipiell immer an der Entstehungsgeschichte des „inneren Täters“ beteiligt. So hat auch die Abwesenheit eine dieser Instanzen einen hohen Aussagewert und folgerichtig wird nun der Vater, der sich bislang noch nicht gezeigt hat, in der Szene aufgerufen. Die Klientin zeigt ihm ihre Situation, doch er hört sie nicht und sie reagiert mit völliger Resignation. Es stellt sich heraus, dass er in der Realität selbst schwerhörig ist und damit hat sich die Verbindung zu einem Thema herauskristallisiert, das bereits in der Familiengeschichte angelegt ist.

Das hier geschilderte Beispiel ist die abgeänderte und stark zusammengefasste Wiedergabe einer profiling-Sitzung, die die Vorgehensweise der Methode in ganz groben Zügen verdeutlichen soll. Es konnte gezeigt werden, dass Hörschwäche und Beziehungskonflikt in einer direkten Verbindung miteinander stehen. Über das Erleben des „Nicht Dazugehörens“ und das Gefühl „Nicht Gehört“ zu werden (von der Mutter, die das Kind weggeben hat) ist das innere Kind in einen Zustand von Erstarrung und Trotz gegangen und hat ab diesem Zeitpunkt die weitere Entwicklung verweigert. Dies hat die Klientin wiederum in größte Selbstzweifel gestürzt und ihr „Nicht Hören Können“ verhindert die Auseinandersetzung. Die Schwerhörigkeit des Vaters, die – wie im weiteren Verlauf der Sitzung deutlich wird – auf ein Trennungeschehen seiner eigen Eltern zurückzuführen ist, stellt den Zusammenhang zu einer Familienproblematik her. Oftmals übernehmen Kinder die Bewältigungsstrategien der Eltern, sodass sich ein krankheits- oder konfliktbedingendes Verhalten über die Generationen hinweg fortsetzt.

Ein zentrales Ergebnis ist die Tatsache heraus, dass die Klientin auf ihr eigenes inneres Kind großen Zorn entwickelt hatte. Es wurde deutlich, dass dieses den eigenen Zorn und die Entrüstung über das Ungeheuerliche, dass ihm widerfahren ist, niemals ausagieren konnte. Das profiling wird an einer solchen Stelle auch mit dem Zukünftigen arbeiten, denn es besteht die Möglichkeit, das Kind oder die Erwachsene mit potentiellen Situationen experimentieren zu lassen. In unserem Fall bietet sich z.B. die Frage an: „Was wäre, wenn Du alles hören könntest?“ Die Klientin hat nun den Spielraum zukunftsorientiert Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren und sich selbst in unterschiedlichen Szenarien zu erleben. Dadurch entfalten sich zusätzliche Impulse, die zu einer Stärkung der Handlungskompetenz – sowohl in der Innen- als auch in der Außenwelt – beitragen.

Dennoch muss mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass durch ein profiling zunächst keinerlei Veränderung der vorgefundenen Struktur bewirkt wird. Vielmehr geht es um die reine Informationsgewinnung: welches sind die znetralen Mustersätze, was ist das Selbstähnliche in allen auftauchenden Situationen und wie hoch ist der Grad der Identifikation, d.h. wie elastisch oder starr ist die Gesamtstruktur des Systems? Das heißt aber auch, dass mit dem profiling keinerlei Lösungsmöglichkeit angeboten werden, es geht um die reine Aufdeckung. Als Nebeneffekt kann ein Selbsterkenntnisprozeß angestoßen werden, gleichzeitig ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Thema bzw. die einzelnen Aspekte, die herausgearbeitet wurden, nun im Alltag stärker als zuvor präsent sein werden.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass das Wissen um den Hintergrund und Zusammenhang eines Konfliktes nunmehr bewusst geworden und aufgeschlüsselt ist. Aber dieser Konflikt und damit die ihm zugrunde liegende Struktur kann mit dem profiling auch rein mental nicht verändert werden. Eine Auflösung dieser Erlebnisqualität ist nur über die Prozessarbeit, die Körper und Emotion mit einschließt, zu leisten. Die gleiche energetische Qualität, die notwendig war, um eine bestehende Struktur zu bilden, ist auch notwendig, um diese wieder aufzulösen.

Welchen Nutzen kann also profiling haben, welchem Zweck kann es diesen und wann ist es sinnvoll, sich dieser Methode zu bedienen?
Wie deutlich geworden sein dürfte, wird im profiling die herrschende Struktur in ihren Querverbindungen aufgezeigt. Wir erhalten als Resultat eine präzise Darstellung des gegenwärtigen Ist-Zustandes bezogen auf eine konkrete Fragestellung. Die Bereiche, die auf diese Art und Weise aufgeklärt werden können, sind nach gegenwärtigem Kenntnisstand eigentlich unbegrenzt. Wir können den Hintergrund von Beziehungskonflikten, Eltern-Kind-Problemen, körperlichen oder psychischen Symptomen ebenso aufdecken wie den von Blockaden in der beruflichen Laufbahn, mangelndem Geldfluss oder Schwierigkeiten mit den Kolleg/innen. Prinzipiell bietet sich das profiling für jeden Menschen an, der mit einer Sitzung den Hintergrund und Wirkungszusammenhang um seinen aktuellen Konflikt oder sein brennendes Problem erfassen möchte. So können die Hintergründe von Verhaltens- und Denkmustern dingfest gemacht werden und wenn wir ein Muster kennen, dann können wir dieses auch zielgerichtet stören oder kippen und damit in Veränderung bringen.
Gerade bei körperlichen Symptomen kann profiling hervorragende Dienste leisten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche Ansätze entwickelt, die den Zusammenhang zwischen einer körperlichen Erkrankung und einem psychischen Geschehen herstellen (Dahlke, Tepperwein, Hay u.a.). Mit der Synergetik ist nun die Möglichkeit gegeben, das komplette Konfliktmuster (im Gegensatz zu einem einzelnen und damit das Geschehen auch nur partiell bedingenden Konflikt) aufzuzeigen. Wie im kriminologischen profiling kann auch in unserem Fall gesagt werden, dass eine Erkrankung das Zwangsergebnis dessen ist, was sich zuvor ereignet und aufgesammelt hat. Insofern eignet sich die Methode zu einer alle Faktoren erfassenden „Diagnose“, die selbstverständlich nicht im entferntesten mit einer medizinischen Diagnose zu verwechseln ist.

Vielmehr kann aufgezeigt werden, welche Faktoren an einer Erkrankung beteiligt sind und welche Verbindung sie miteinander eingegangen sind. Um dies bildhaft zu machen können in der Innenwelt die verschiedenen Instanzen aufgerufen und abgefragt werden, wer mit wem welche „Bündnisse“ eingegangen ist, wer kooperiert und wer sich bekämpft. Darüber können wir auch für eine Erkrankung bzw. ein körperliches Symptom ein „Täterprofil“ erstellen. Und wenn der „Täter“ entlarvt ist, wird es darum gehen, entweder die Tat, d.h. den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern oder aber den „Täter“ zu resozialisieren, d.h. eine Aufhebung der Symptoms anzustreben.

In der synergetischen Prozessarbeit kann ein profiling jederzeit eingesetzt werden, um den aktuellen status quo zu prüfen. Es dient darüber hinaus einer Übprüfung der Wirksamkeit der Methode, da durch die Bestandsaufnahme vor Beginn der Therapie und einem abschließenden profiling ein nachvollziehbarer Vergleich ermöglicht wird. Wir erstellen sozusagen ein „Röntgenbild“ der Innenwelt, dass uns den Zustand „Vorher/Nachher“ widergibt. Insofern verschafft uns das profiling die Möglichkeit, synergetische Prozessarbeit messbar zu überprüfen und eine Ergebnisanalyse des Therapieverlaufs zu erstellen. Auf diesem Weg wird auch der Prozeß der Veränderung evaluierbar und die Heilungskompetenz einer Methode nachprüfbar.

Diese nur kurz aufgezählten Gesichtspunkte lassen bereits sichtbar werden, dass das profiling in der Innenwelt ein echte Feldforschung ermöglicht, die größtes Potential bietet, um die komplexen Zusammenhänge von Erkrankungen zugänglich und erfassbar zu machen.

Insofern zeigen sich neben einem individuellen Zugewinn an Erkenntnis Anwendungsbereiche, die auch im kollektiven Maßstab von größtem Wert sind. Was sind z.B. die Hintergründe der Probleme, die sich aus einem Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher Kulturen oder divergierenden Machtpositionen und Funktionen ergeben? Neben den uns selbstverständlich bekannten politischen, ökonomischen und sozialen Faktoren, die allgemein sichtbar zutage treten, können derartige Fragen mit der Methode des profiling in einer ganz anderen Tiefe aufgezeigt, in ihrem Gesamtkontext eingeordnet und verstanden werden und dadurch zu einem besseren Verständnis gravierender und uns alle bereffender Konflikte beitragen.

Profiling bietet die enorme Freiheit, den Hintergrund eines jeden nur denkbaren Themas aufzutröseln. In anderen Worten: zwischen der Frage nach einem aktuell schmerzenden Zahn über den Sinn des Lebens bis hin zu kollektiv geprägten Bewusstseinsstrukturen ist alles denkbar und möglich. Dennoch soll noch einmal in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass es eine statische Methode ist, die nicht auf einen Prozess und demzufolge auch nicht auf die Lösung eines Konfliktes abzielt. Sie dient dem reinen Erkenntnisgewinn und kann dazu verhelfen, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern. Die Auflösung des auf diesem Weg dekodierten Konfliktmusters bleibt einer nachfolgenden Therapie oder anderen Lösungsansätzen vorbehalten. Hier mag sich der/die Einzelnen für synergetische Prozessarbeit oder jede andere ihm/ihr zusagende Methode entscheiden.
Im Einzelfall kann es jedoch vorkommen, dass während der profiling-Sitzung die energetische Qualität einer Emotion oder eines Körpergefühles so intensiv wird, dass ein partielles Einsteigen in die Prozessarbeit nicht zu vermeiden ist. Dies ist einer der Gründe, warum profiling nur von sehr erfahrenen Synergetik-Therapeut/innen durchgeführt werden darf. Das Klientel muss jederzeit die Gewissheit haben, dass eine solche Situation professionell aufgefangen und begleitet wird.

Ein weiteres, sehr entscheidendes Kriterium für die Berechtigung, profiling durchzuführen, liegt darin, dass die profilerin (ähnlich wie im kriminologischen Ansatz) jederzeit eine distanzierte Position zu wahren hat. Sie muss in der Lage sein, zentrale Mustersätze herauszukristallisieren, die Selbstähnlichkeit von Situationen zu erkennen, jederzeit das Zusammenwirken im Gesamtkomplex im Auge zu behalten und sich dabei einer jeden Interpretation absolut enthalten. Diese Fähigkeit herauszubilden erfordert eine profunde Erfahrung in der Prozessarbeit, da die unbedingte Konzentration auf das Wesentliche und damit die Bewusstheit über den eigenen Standort nicht über Lehrbücher, sondern nur über ein ausdauerndes Wahrnehmungstraining und kontinuierliche Selbstreflexion zu erzielen ist , denn es gilt Intuition und Denkungsart im profiling zu vereinen und zu verinnerlichen.


Rosi Schneider